Das Diakonie-Lädle in Neuenstein gibt es seit 20 Jahren. Geschäftsführer André Sommer hat das Angebot durch eine Online-Tauschbörse erweitert.

 

Von unserem Redaktionsmitglied Michelle Christin List

Ein neues Angebot macht die Diakonische Bezirksstelle in Neuenstadt ihren Klienten: Über eine Online-Tauschbörse können Menschen gebrauchte Dinge abgeben und günstig bekommen. Warum das Ganze eine Hilfe zur Selbsthilfe ist und warum nicht nur Menschen mit schmalem Geldbeutel davon profitieren, darüber spricht Geschäftsführer und Berater André Sommer im Interview.

Welche Aufgaben haben Sie als Berater bei der Diakonie?

André Sommer: In unseren Diakonischen Bezirksstellen sind wir oft die erste Anlaufstelle in allen erdenklichen Lebenssituationen und Notlagen. Vergleichbar mit dem Hausarzt im Gesundheitssystem. Zu uns kann man kommen, wenn der Schuh drückt, man in schwierigen Lebenssituationen ist und Unterstützung braucht.

Und weshalb drückt der Schuh für gewöhnlich?

Sommer: Oft ist das Geld zu Ende, der Monat aber noch nicht. Dann schauen wir gemeinsam mit dem Klienten, welche Sozialleistungen ihm zustehen und wohin sein Geld geht. Genauso wichtig ist aber eine schnelle, möglichst unbürokratische Hilfe. Wenn die Finanzen ganz knapp sind, bekommt der Klient zum Beispiel einen Gutschein für unser Diakonie-Lädle.

Für Menschen mit knappen Finanzen haben Sie eine Suche-Biete-Plattform ins Leben gerufen.

Sommer: Ja, die Seite wurde kürzlich auf der Internetseite der Diakonie Neuenstadt freigeschaltet. Die Idee ist schon länger gereift, auch im Zusammenhang mit der Situation von Geflüchteten. Hier gibt es eine große Spendenbereitschaft in der Bevölkerung, und die Plattform erschien dann eine gute Möglichkeit, wie die Hilfe auch ankommt.

Was ist der Unterschied zu Ebay-Kleinanzeigen?

Sommer: Bei unserer Plattform geht es nicht um kommerzielle Zwecke. Wir möchten Ressourcen schonen, gleichzeitig den Zusammenhalt der Menschen in der Region stärken. Davon profitieren nicht nur die, die etwas benötigen, sondern auch die, die in unserer Überflussgesellschaft zu viel haben, etwas abgeben möchten und sicher gehen wollen, dass es gute Wege nimmt.

Werden dort ähnliche Dinge wie im Lädle angeboten?

Sommer: Im Lädle gibt es vor allem Sachen wie Kleidung, Schuhe, Bett- wäsche, Taschen, Bücher, Spiele oder Dinge für den Haushalt. Über die Plattform kann man auch große und sperrige Dinge wie Möbel oder Elektrogeräte abgeben und bekommen. Früher mussten wir solche Angebote oft ablehnen oder nach Heilbronn zur Aufbaugilde umleiten, da unsere Ladenfläche dafür zu klein ist. Aber im Prinzip ist es so, dass das, was sonst offline geschieht, nun im virtuellen Raum stattfindet. Deshalb sehe ich die Suche-Biete-Plattform auch als Hilfe zur Selbsthilfe.

Das müssen Sie erklären.

Sommer: Oft habe ich mit Menschen zu tun, die den gesellschaftlichen Anschluss verloren haben. Etwa, weil sie mit den neuen Medien nicht klarkommen. Teilweise haben die Leute zwar ein Smartphone, dann aber keine E-Mail-Adresse. Das führt dann so weit, dass sie keinen Umzugsservice kontaktieren können oder das Jobcenter nicht mit Kontoauszügen füttern können. Um sie in gesellschaftliche Prozesse einzubeziehen, ist es wichtig, ihnen zu zeigen, welches Potenzial die Digitalisierung mit sich bringt. Indem die Leute online ein Gesuch aufgeben, bekommen sie Appetit auf das Internet, werden an die Möglichkeiten herangeführt und bekommen mehr Verständnis für die Vorteile.

Bestimmen die Anbieter die Preise für ihre Ware selbst?

Sommer: Ja. Wir weisen aber immer darauf hin, dass es bei der Suche-Biete-Plattform nicht darum gehen soll, einen Obolus aus dem Angebot zu schlagen. Im Vordergrund steht die Menschlichkeit. Es geht um eine Sorge tragende Gesellschaft, bei der die Mitglieder füreinander da sind. Unsere Hoffnung ist, dass die Dinge komplett kostenfrei angeboten werden.

Wie reagieren Ihre Klienten auf das Online-Angebot?

Sommer: Unsere neue Plattform läuft jetzt seit fast drei Monaten. Seitdem sind auch die Zugriffszahlen auf unsere Internetseite enorm gestiegen. Irgendjemand ist immer froh über eine gebrauchte Waschmaschine oder eine Couch. Momentan wird zwei bis dreimal pro Woche etwas angeboten. Ich denke aber, dass sich das Ganze weiter einspielen wird. Was ich richtig erfreulich finde: Auch unsere Klienten, also die Menschen, die selbst sehr wenig haben, geben Sachen ab, die sie nicht mehr brauchen. Somit ist es eine Tauschbörse auf Augenhöhe.

Ist das Angebot örtlich begrenzt?

Sommer: Ursprünglich wollten wir eigentlich den nördlichen und östlichen Landkreis von Heilbronn bedienen. Mittlerweile kamen aber auch schon Nachfragen von Leuten aus Flein oder Weinsberg, die gerne etwas einstellen wollten. Das lehnen wir dann natürlich nicht ab, denn wir möchten ja keine künstlichen Hürden schaffen.